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Im Zug mit … Tomoko Emmerling Ein Interview mit der Projektleiterin der Ausstellungsreihe „Here I stand“

Dr. Tomoko Emmerling
Dr. Tomoko Emmerling während der Präsentation der Ausstellungsvorbereitungen auf dem „Jour fixe mit Luther" (Bild: Frank Nürnberger / © Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“)

Ab Oktober 2016 wird in den USA die Ausstellungsreihe „Here I Stand“ zu sehen sein. An drei Standorten hat das amerikanische Publikum die Möglichkeit, in die Zeit der Reformation einzutauchen und Martin Luthers Leben und Wirken zu entdecken. Gleichzeitig stellt die Ausstellungsreihe eine Einladung an die Besucherinnen und Besucher dar, die Stätten und Sammlungen in Luthers Heimatland, aber auch die Nationalen Sonderausstellungen und Veranstaltungen zu besuchen, die 2017 anlässlich des Reformationsjubiläums in Deutschland abgehalten werden. Unterstützt wird das Projekt des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle (federführend), der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, des Deutschen Historischen Museums (Berlin) und der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha durch das Auswärtige Amt, knapp 30 Institutionen stehen als Leihgeber Pate. 

Wir begleiteten die Projektleiterin Tomoko Emmerling vom Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle auf dem Weg in die Saalestadt. Mit der Kuratorin sprachen wir über protestantische Wurzeln in den USA, Luthers Kanzel auf Reisen und das Pilotprojekt #HereIstand.

luther2017.de: Frau Dr. Emmerling, welche Bedeutung hat der Reformator Martin Luther in den USA? 

Tomoko Emmerling: Die USA sind ein Land, das sehr stark durch protestantische Traditionen geprägt ist, sowohl durch lutherische als auch durch andere protestantische Religionsgemeinschaften, die dennoch häufig Martin Luther zu ihren Stammvätern zählen. Was sich beobachten lässt, ist, dass Luther für verschiedene Regionen auch einen unterschiedlichen Stellenwert hat. In diesem Zusammenhang freuen wir uns natürlich sehr, dass wir im Mittleren Westen der USA eine unserer Ausstellungen mit dem Minneapolis Institute of Art durchführen können. Gerade der Mittlere Westen der USA ist stark von einer Bevölkerung geprägt, die etwa zu 70% ihre Wurzeln in Westeuropa hat, darunter vor allem in Deutschland und Skandinavien. Hier ist die größte Konzentration von Lutheranern in den USA zu finden. 

luther2017.de: Als Projektleiterin der Ausstellungsreihe „Here I Stand“, die ab Oktober 2016 in den USA zu sehen sein wird, sind Sie federführend bei Organisation und Konzeption. Welche konkreten Ziele werden mit der Ausstellungsreihe verfolgt?

Tomoko Emmerling: Zum einen ist es natürlich unser Ziel, Wissen über den Reformator Martin Luther, die Reformation und deren Auswirkungen zu vermitteln. Zum anderen geht es uns darum,  auch den kulturhistorischen Kontext der Reformation aufzuzeigen. Unsere drei Ausstellungen setzen jeweils unterschiedliche Schwerpunkte: In New York, in The Morgan Library & Museum, geht es darum, die Ereignisse im Leben Martin Luthers zu beleuchten, die für die frühe Reformation von besonderer Bedeutung waren. In Minneapolis geht es um eine umfassende Darstellung der Reformation, erzählt am Leben Martin Luthers, und um den kulturhistorischen Kontext der Reformation. In Atlanta, an der Pitts Theology Library der Emory University, geht es darum, den Kern von Luthers Theologie zu erläutern, der anhand des Gemäldes „Gesetz und Gnade“ von Lucas Cranach herausgearbeitet wird. Zugleich soll auch aufgezeigt werden, welche Beziehungen die USA mit Deutschland verbinden und wie Martin Luthers Erbe noch bis heute fortwirkt. 

Neben diesen inhaltlichen Aspekten, ist es uns aber auch wichtig, auf das Reformationsjubiläum aufmerksam zu machen, wo etwa in der Museumswelt die Nationalen Sonderausstellungen ihre Schatten vorauswerfen. Zum anderen soll natürlich allgemein auf das Reformationsland aufmerksam gemacht werden und die kulturellen Schätze, die es in Deutschland zu entdecken gibt. Vor diesem Hintergrund freue ich mich, dass zahlreiche Institutionen das Projekt auch mit Leihgaben unterstützen. 

luther2017.de: Derzeit wird eine Reihe von hochkarätigen Leihgaben aus den mitteldeutschen Museen für „Here I Stand“ verladen – unter anderem sogar die Kanzel auf der Martin Luther predigte. Welche besonderen Highlights dürfen die Besucher in den Ausstellungen erwarten?

Tomoko Emmerling: Das ist eine schwierige Frage, denn es gibt tatsächlich sehr viele Highlights. Außergewöhnlich ist sicherlich, dass eine Reihe von Objekten aus den Stätten der Reformation erstmals ins Ausland reisen wird. Auch die Kombination, in der die Objekte zu sehen sein werden, ist einzigartig. 

In New York wird ein Objekt gezeigt, das prädestiniert dazu ist, genau dort ausgestellt zu werden. Dabei handelt es sich um einen Brief Martin Luthers an Kaiser Karl V. vom 28. April 1521. Dieser handschriftliche Brief wurde von dem Reformator nach seinem berühmten Auftritt auf dem Reichstag zu Worms selbst verfasst. Darin erläutert Luther noch einmal dem Kaiser seine Beweggründe. Wie eine Notiz besagt, wurde er dem Kaiser aber nie ausgehändigt. Er tauchte 1911 auf einer Auktion in Leipzig auf. Dort wurde er von dem amerikanischen Finanzier und Sammler John P. Morgan erworben, der schon seit einiger Zeit mit dem deutschen Kaiser freundschaftlich verbunden war. Ein Unterhändler konnte den Brief für über 100.000 Reichsmark ersteigern, das ist eine ungeheure Summe für einen solchen Brief zur damaligen Zeit. J. P. Morgan überreichte den Brief nach der Ersteigerung dem Deutschen Kaiser als Geschenk. Kaiser Wilhelm II. wiederum hat den Brief dem Lutherhaus in Wittenberg, damals noch die „Lutherhalle“, gestiftet, wo er bis heute eines der Highlights der Dauerausstellung ist. Im Rahmen von „Here I Stand“ wird der Brief erstmals im Haus der Stifters, der Morgan Library zu sehen sein. 

Der Brief ist übrigens ein herausragendes Objekt, das aufgrund seiner historischen Bedeutung mittlerweile auch Bestandteil des UNESCO-Dokumentenerbes Memory of the World ist. Zum anderen ist das auch eine schöne Geschichte, die Deutschland und die USA miteinander verbindet. Es wird noch weitere Sammlungshighlights auf Papier zu sehen geben, wie etwa das Wormser Edikt, das aus dem Deutschen Historischen Museum nach New York reist, oder archäologische Funde, wie sieben Notenlettern aus dem ehemaligen Franziskanerkloster in Wittenberg. 

In Minneapolis, der größten der drei Ausstellungen, reicht die Bandbreite von archäologischen Fundstücken über Schrifttum, Cranach-Gemälde und monumentale Kunstwerke bis hin zu liturgischen Gewändern. Dort werden auch Objekte gezeigt, die ein lebhaftes Licht auf die unmittelbaren Lebensumstände des Reformators werfen, wie etwas Luthers Schreibset aus Wittenberg, das der Reformator vermutlich persönlich in seinen Händen gehalten hat. Hier zählt zu den Highlights auch die sogenannte Luther-Kutte aus dem Lutherhaus in Wittenberg, der Gothaer Tafelaltar, ein monumentales Werk mit 160 Bildtafeln. Er ist gleichsam eine riesige Bilderbibel, welche die Bedeutung des Wortes für Luther vergegenwärtigt.  

Aus Berlin wird ein Paradehelm von Kaiser Karl V., einem Protagonisten der Reformationszeit und wichtigsten Gegner Luthers und der Reformation, zu sehen sein, der diese Zeit unmittelbar greifbar macht. In Atlanta soll es um die Schlüsselaussagen von Martin Luthers Reform gehen, um die Erlösung des Menschen alleine durch die Gnade Gottes. Das Bild „Gesetz und Gnade“ von Lucas Cranach dem Jüngeren wird in Atlanta im Mittelpunkt der Ausstellung stehen. 

Man könnte noch vieles mehr anführen. Alle Ausstellungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr lebendig sein werden. Man wird sehen, dass die Reformationszeit auch hinsichtlich der materiellen Kultur eine sehr facettenreiche war. 

luther2017.de: Seit vergangener Woche ist die Internetseite www.here-i-stand.com online, welche ab Oktober die Digitalausstellung „#HereIstand. Martin Luther, die Reformation und die Folgen“ präsentieren wird. Wie problematisch ist es für eine Kuratorin eines Museums, wenn sich Ausstellungen zunehmend in das Internet verlagern?  

Tomoko Emmerling: Ich würde es nicht als problematisch bezeichnen. Es ist natürlich ein neues Feld, auch für uns Museumsleute. Bisher ist man es gewohnt, mit den Originalobjekten umzugehen, diese zu bewegen und zu schauen, wie man die Objekte in Szene setzt und zugleich ihre Aussage und Bedeutung ohne viel Text den Besuchern nahebringen kann. Dieses Digitalausstellungsprojekt ist für uns eine Herausforderung, hat aber auch als Pilotprojekt einen besonderen Reiz. Denn es eröffnet noch einmal andere Möglichkeiten, Wissen über Martin Luther und die Reformation zu vermitteln. 

Die Internetausstellung wird auf zeitgemäße Art und Weise Wissen aufbereiten und vermitteln. Ein besonderes Element sind eingescannte 3D-Drucke, die heruntergeladen und mithilfe eines entsprechenden Druckers ausgedruckt werden können. Das ist etwas, das es in dieser Form bisher noch gar nicht gab. Es ist selbst für uns faszinierend zu sehen, was mit dieser Technik möglich ist. Außerdem kann man diese Objekte von allen Seiten betrachten. Man kann sie drehen, wenden, hinein zoomen und bei archäologischen Funden kann man sogar sehen, aus welchen Fragmenten sie zusammengesetzt sind. Das ist etwas, was einem Museumsbesucher einer normalen Ausstellung so nicht möglich ist. Gerade diese Möglichkeit der unterschiedlichen Verknüpfung von Wissen und deren Vermittlung ist für uns sehr spannend.  

luther2017.de: Vielen Dank für das Gespräch.

Informationen

Autor:Das Gespräch führte Michael Achhammer Datum:17-06-16
Schlagworte:
Here I stand, Reformation, Ausstellung in den USA, Tomoko Emmerling

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#HereIstand – Eine Ausstellung per Mausklick

#HereIstand. Martin Luther, die Reformation und die Folgen ist eine Ausstellung der besonderen Art: sie ist eine Digitalausstellung mit downloadbaren Inhalten.