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Im Zug mit … Karin Kolb Interview mit der Kuratorin des Weimarer Teils der Thüringer Landesausstellung „Die Ernestiner. Eine Dynastie prägt Europa“

Karin Kolb
Karin Kolb ist Mitarbeiterin der Klassik Stiftung Weimar und Kuratorin des Weimarer Teils der Thüringer Landesausstellung
(Foto: Matthias Eckert, Weimar GmbH)

Mit einer Landesausstellung rückt der Freistaat Thüringen die einst so mächtige, heute jedoch fast vergessene Dynastie der Ernestiner in den Mittelpunkt. Als Beschützer des Reformators Martin Luther und Verteidiger des protestantischen Glaubens hatten die ernestinischen Fürsten die langfristigen religiösen und politischen Folgen der Reformation maßgeblich mitbestimmt. Ende April wird die Landesausstellung in den ehemaligen Residenzstädten Weimar und Gotha eröffnet. 

Karin Kolb von der Klassik Stiftung Weimar ist die Kuratorin der Landesausstellung in der Welterbestadt. Auf dem Weg nach Weimar sprachen wir mit der promovierten Kunsthistorikerin über die anstehende Landesausstellung, das Herrscherhaus der Ernestiner und warum sie für Martin Luther und die Reformation so wichtig waren. 

Luther2017: Frau Dr. Kolb, wer waren die Ernestiner? 

Karin Kolb: Die Ernestiner waren eine Herrscherfamilie, der bedeutende Persönlichkeiten entstammen. Durch ihren Einsatz für die Reformation und den Protestantismus, aber auch durch ihr großes kulturelles Engagement und eine geschickte Heiratspolitik haben sie nicht nur die Geschichte Thüringens, sondern auch Deutschlands und Europas über 400 Jahre lang beeinflusst.

Luther2017: Welche Rolle nahmen die ernestinischen Fürsten im Zeitalter der Reformation ein?

Karin Kolb: Die Ernestiner haben Luther vor dem päpstlichen und kaiserlichen Zugriff geschützt und damit den Beginn der Reformation überhaupt möglich gemacht! Sie haben die lutherische Lehre in ihren Gebieten eingeführt, in Weimar bereits 1525. Die Gründung der Universität Jena als Hohe Schule 1548 geschah, um nach dem Verlust der Universität Wittenberg eine neue Landesuniversität zu schaffen. Und an dieser sollte die „wahre“ lutherische Lehre gepflegt und erhalten werden. Auch in den nachfolgenden Jahrhunderten haben sich die Ernestiner sehr stark mit der Reformation und ihrer eigenen Rolle als „Schutzmacht“ identifiziert.

Luther2017: Bis heute finden sich Ernestiner in den Königshäusern Europas, etwa in Belgien oder Großbritannien. Wie brachte es diese Herrscherdynastie zu europaweiter Achtung und Anerkennung? 

Karin Kolb: Die Ernestiner entstammen dem Gesamthaus Wettin – einem der ältesten Adelsgeschlechter Europas. Zu Zeiten von Kurfürst Friedrich III. von Sachsen zählten sie zu den mächtigsten Fürsten im Heiligen Römischen Reich und waren auf Augenhöhe mit dem Kaiser. Der Verlust ihrer politischen Macht Mitte des 16. Jahrhunderts hat sie veranlasst, auf anderen Wegen und mit klugen Strategien wie der Förderung von Kultur und Wissenschaft oder einer geschickten Heiratspolitik, besonders im 19. Jahrhundert, weiterhin Einfluss zu nehmen.

Luther2017: Die Thüringer Landesausstellung „Die Ernestiner. Eine Dynastie prägt Europa“ widmet sich dem Herrscherhaus. Was wird die Besucherinnen und Besucher der Ausstellung erwarten?

Karin Kolb: Hochkarätige Exponate aus nationalen und internationalen Sammlungen werden spannende Geschichten erzählen, durch die das Agieren und Wirken der Ernestiner lebendig wird. Hinzu kommen Hands-On Stationen und aktuelle Bezüge zu Fragen, die heute noch gesellschaftlich relevant sind. Aber geplant ist auch ein umfangreiches und ungewöhnliches Vermittlungsprogramm, vom Audioguide in Hörspielform bis zu einem Comic für Jugendliche.

Luther2017: Die Doppelausstellung findet an authentischen Residenzorten der Fürsten statt. Unter welchen Gesichtspunkten werden Exponate für eine Schau dieser Art zusammengestellt?

Karin Kolb: Zu Beginn auch der Landesausstellung stand die Frage nach dem Konzept, nach dem roten Faden und dem Erzählstrang. Schnell war klar, dass wir die großen Themen Familie, Reich, Glaube, Land, Wissenschaft und Künste zwischen Weimar und Gotha sinnvoll aufteilen werden. Sinnvoll meint, dass es nahe lag, etwa das Thema Glaube in Weimar zu präsentieren, denn die Bedeutung der Ernestiner als Beschützer der Reformation ist zu allererst mit dem Herzogtum Sachsen-Weimar verbunden.

Luther2017: Vergangenes Jahr fand in Torgau die 1. Nationale Sonderausstellung „Luther und die Fürsten“ statt, die ein vergleichbares Thema behandelte. Was macht die Thüringer Landesausstellung so besonders?

Karin Kolb: Wir betrachten nicht nur die Zeit der Reformation und die Bedeutung, welche die Ernestiner für sie hatten, sondern befassen uns mit über 400 Jahren des Agierens und Wirkens der Ernestiner. Außerordentlich spannend ist es festzustellen, wie sehr sich die Ernestiner auch in späteren Jahrhunderten noch über die Reformation und den Protestantismus definieren und welche Auswirkungen dies hatte – allein im 19. Jahrhundert reichen diese vom Ausbau der Wartburg als Erinnerungsort bis zur Missionierung in Ostasien.

Informationen

Quelle:Das Gespräch führte Michael Achhammer Datum:20-02-16
Schlagworte:
Thüringer Landesausstellung, Die Ernestiner, Karin Kolb, Klassik Stiftung Weimar, Interview

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Thüringen bereitet für 2016 eine Landesausstellung über das Fürstenhaus der Ernestiner vor. Die Kurfürsten und Herzöge aus der Dynastie der Wettiner haben über 400 Jahre lang die Geschichte Thüringens und Deutschlands maßgeblich mitgestaltet.