Pilgern auf dem „inneren Weg Luthers“
Eine Ironie der Geschichte sei, dass ein Pilgerweg „Lutherweg“ genannt werde, sagt der Mainzer Theologieprofessor Kristian Fechtner. Luther habe das Pilger- und Wallfahrtswesen abgelehnt, weil er die damalige Bußübung als „Werkgerechtigkeit“ bezeichnete. Sündenvergebung könne man sich nicht erlaufen, sondern nur im Glauben als Gottes Geschenk annehmen. Daher sei das Gehen auf dem Lutherweg auch keine Wallfahrt, sondern habe den Sinn, „den äußeren Weg als inneren Weg Luthers nachzugehen“.
Das Pilgern habe gegenwärtig Konjunktur, erklärt Fechtner. Auf die Frage vieler, „wie komme ich aus dem Alltag heraus?“, stelle das Pilgern eine attraktive Form der Auszeit dar. Es setze keine Glaubensgewissheiten voraus, eröffne aber einen Raum, die Welt anders zu sehen. Das Pilgern ermögliche „Religion auf Zeit“ und führe zu keinen dauerhaften Pflichten. Gerade Männer würden von der körperlichen Anstrengung des Pilgerns angesprochen.
„Keinen Tag steht das Telefon still“, berichtet Rausch als stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Lutherweg in Hessen“. Ständig fragten Interessenten nach Pilgerausweisen, Stempelstellen, Führern und Herbergen, Kirchengemeinden erkundigten sich nach Pilgergruppen. Mit der Vollendung der Beschilderung soll sich nun ein Fall wie der des Wanderers, der sich bei Romrod im Wald verlief und abends von einem Jogger gefunden und herausgeleitet wurde, nicht wiederholen. „Selbst dieser hat noch ein warmes Bett bekommen“, beruhigt Rausch.