In den Stollen gehört Butter und die Geschenke gehören unter den Baum? Kein anderes Fest im Jahr kennt so viele Bräuche und Traditionen, die alle Jahre wiederkehren - und scheinbar schon immer so galten. Dabei sind viele erst durch den Wandel rund um die Reformation entstanden - und wurden ursprünglich als strategisches Manöver gegen die Altgläubigen in Szene gesetzt. Heute sind Butterstollen und Tannenbaum, Weihnachts-Hits und Geschenke aus der Adventszeit kaum noch wegzudenken. Wir versuchen es dennoch und fragen uns:
Was wäre Weihnachten ohne...
… Butterbriefe
So viel ist gewiss: Das wohl älteste Weihnachtsgebäck fände sich heute kaum noch auf bunten Tellern, wenn es keine Butterbriefe gegeben hätte. Als der Advent noch nicht den kulinarischen Anlauf auf die Festtage bedeutete, sondern Fastenzeit, waren tierische Produkte wie Eier, Butter und Milch Tabu auf dem Speisezettel. Entsprechend karg fiel das Stollen-Rezept damals aus: Nur Wasser, Mehl, Hefe und das Rüböl genannte pflanzliche Rapsöl durften verbacken werden.
Das Ergebnis schmeckte so eigenwillig, dass die beiden sächsischen Fürsten Ernst und sein Bruder Herzog Albrecht gesundheitliche Schäden aufgrund des verwendeten Rüböls befürchteten. So argumentierten sie zumindest, als sie Papst Innozenz VIII. 1480 um eine Ausnahme beim Adventsfasten baten: um die Erlaubnis von Butter im Stollenteig. Der sogenannte Butterbrief, den der Papst daraufhin nach Sachsen schickte, sicherte den Fürsten zu "daß ihr, eure Weiber, Söhne und Töchter und all eure wahren Diener und Hausgesinde der Butter anstatt des Öles ohne einige Pön (Geldbuße) frei und ziemlich gebrauchen möget“. Teuer bezahlen ließ sich der Papst derlei Sondergenehmigungen dennoch: Fürs Stollenbacken waren fortan Abgaben zu entrichten, die in den Bau von Kirchen oder auch Brücken flossen. So verfügt ein päpstliches Dekret von 1491, dass für das Stollenbacken der zwanzigste Teil eines Goldguldens zugunsten des Freiburger Dombaus zu zahlen wäre. Dennoch wurden bald auch jenseits des Fürstenhofes mehr und mehr Butterstollen in der Adventszeit gebacken.
Es war also ein klassischer Ablasshandel, der den Christstollen zu dem machte, was er heute ist: ein reichhaltiges Hefegebäck mit viel Butter. In den 95 Thesen Martin Luthers, mit denen er sich 1517 gegen das Ablasswesen wandte, fand diese Regelung zwar keine Erwähnung. Der Reformator hatte, das ist belegt, nichts gegen die Fastentraditionen: "Fasten und leiblich sich bereiten ist wohl eine feine äußerliche Zucht“ schrieb er. Der ehemalige Augustinermönch fürchtete aber auch nicht um seine Seele, wenn er sich nicht daran hielt. Genussmensch, der er war, wird der Reformator einen echten Butterstollen wohl nicht verschmäht haben – und das auch ohne Zahlungen für päpstliche Kirchbauten.
Heutzutage muss der Stollen - nach deutschem Lebensmittelrecht - auf zehn Kilogramm Mehl mindestens drei Kilogramm Butter enthalten. Auch der Gehalt an Trockenfrüchten, mit denen die ehemalige Fastenspeise nach und nach angereichert wurde, ist hier geregelt. Ob dies nun als eine katholisch oder protestantisch ausgelegte Rezeptur zu interpretieren ist, sei dahingestellt.