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Wir sind dabei – Alexander Hogh

Alexander Hogh mit dem Buch „Gotteskrieger“, das er zusammen mit Illustrator Lukas Kummer verfasste. (Bild: privat)

Als Historiker, Journalist und Drehbuchautor haben mich die ersten Wellen des Luther-Bebens 2017 bereits vor vier, fünf Jahren erreicht: Da liefen bei vielen Medienmachern die Köpfe heiß über die Frage, wie der vermeintlichen Lichtgestalt des 16. Jahrhunderts am besten beizukommen sei. Für mich persönlich war schnell klar: nur über einen Umweg. Da passte es gut, dass mich schon lange eine Geschichte im Fahrwasser der Reformation beschäftigt hat, die heute weitgehend vergessen ist: der Täuferstaat von Münster 1534/35.

Eine Geschichte, die in meinen Augen aus mehreren Gründen einen passenden Kommentar für 2017 abgibt: Sie zeigt in einem Seitenstrang die Folgen von Luthers Aufstand gegen Papst und Kirche und offenbart damit ganz neue Aspekte der reformatorischen Epoche. Dabei scheinen mir die Täufer des 16. Jahrhunderts oft viel lutherischer als Luther selbst, gerade was die Auseinandersetzung mit der Bibel – sola scriptura! – betrifft. Bezeichnend sind auch die Reaktion Luthers und seiner Gefolgsleute auf diese Bewegung: Kaum hat die evangelische Kirche die Verfolgung als „Häretiker“ überstanden, beginnt sie ihrerseits, alle Abweichler mit Feuer und Schwert zu bekämpfen. Frisst da die Reformation ihre eigenen Kinder?

Nicht zuletzt sind es die frappierenden Parallelen zu unserer vom religiösen Wahn kontaminierten Gegenwart, die das Münster-Ereignis so vielsagend machen. Heute wie damals wollen selbsternannte „Gotteskrieger“ mit Fanatismus und Gewalt ihre subjektiven und irrationalen Überzeugungen dem Rest der Welt aufzwingen. Genug Gründe, um gerade jetzt an die „Schmuddelkinder“ der Reformation zu erinnern – und einen Misston im Jubelchor des Lutherjahres 2017 anklingen zu lassen.


Alexander Hogh hat in „Gotteskrieger“ zusammen mit dem Illustrator Lukas Kummer anhand von Originalaufzeichnungen ein weniger bekanntes Kapitel Reformationsgeschichte nachgezeichnet. Das Buch ist im TintenTrinker-Verlag erschienen.