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„Ich will selber denken“ – Der pakistanische Flüchtling Hasan Nabeel singt im Luther-Oratorium

Er ist sicher einer der ungewöhnlichsten Teilnehmer des Luther-Oratoriums: Der pakistanische Flüchtling Hasan Nabeel probt zurzeit für die Aufführung des Pop-Oratoriums im Februar in Düsseldorf. Wer Martin Luther ist, wusste er vorher nicht.

Hasan Nabeel
Der pakistanische Flüchtling Hasan Nabeel probt derzeit mit einem Projektchor für die Aufführung des Pop-Oratoriums „Luther“ (Bild: epd Bild)

Singen ist eine neue Leidenschaft für Hasan Nabeel. Früher, in Pakistan, habe er noch nicht mal unter der Dusche gesungen, erzählt er. Als seine Ex-Freundin ihn einmal bat, ihr zum Geburtstag etwas vorzusingen, weigerte er sich. Dass er jetzt regelmäßig mit einem Chor probt, hätte er sich damals nicht träumen lassen. „Singen macht mich glücklich und gibt mir Selbstbewusstsein“, sagt er. Der Flüchtling probt zurzeit mit einem Projektchor für die Aufführung des Pop-Oratoriums „Luther“ im Februar 2017 in Düsseldorf.

Im Luther-Chor Freundschaft geschlossen

Gemeinsam mit rund 2.800 anderen Teilnehmern – Einzelsängern und Chormitgliedern – will Nabeel im ISS-Dome über das Leben von Martin Luther und die von ihm angestoßene Reformation singen. Das Pop-Oratorium von Michael Kunze und Dieter Falk wird bis zum 500. Jahrestag der Reformation 2017 in ganz Deutschland aufgeführt. In jeder Stadt wirken jeweils Sänger und Chöre aus der Region mit.

Martin Luther kannte Hasan Nabeel in seinem alten Leben in Pakistan nicht. „Ich bin noch dabei, mehr über ihn zu lernen“, sagt der 31-Jährige, der im August 2015 nach Deutschland kam und zurzeit in einer Flüchtlingsunterkunft in Haan lebt. Christlich getauft ist er erst seit zwei Monaten. Im Luther-Chor lerne er nicht nur seine neue Religion und die deutsche Sprache besser kennen, sagt Nabeel – auch Freunde habe er gefunden.

Eine gute Freundin und fast schon Ersatzmutter ist Birgit Annighöfer-Lütke für ihn geworden. Nabeel begegnete ihr als Teilnehmer eines Sprachkurses, den Annighöfer-Lütke ehrenamtlich gab. „Er kam nach der Stunde zu mir, hielt mir eine Bibel unter die Nase und fragte, ob ich dieses Buch kenne“, erinnert sich die zierliche 53-Jährige mit dem ansteckenden Lachen. Sie war es dann auch, die Hasan Nabeel mit in die evangelische Kirchengemeinde in Haan, den Gospelchor „Taktvolk“ und den eigens für das Luther-Oratorium eingerichteten Projektchor „Voices of ME“ mitnahm.

„Jetzt sehe ich, was ich gewonnen habe“

Den christlichen Glauben hatte Nabeel bereits in Pakistan kennengelernt. Mit einem Freund habe er dort eine Kirche besucht, erzählt er und gibt grinsend zu: „Eigentlich wollten wir vor allem christliche Frauen sehen, weil die in Pakistan sehr zurückgezogen leben.“ Mehr als die Frauen faszinierte ihn aber bald die Botschaft von Jesus Christus.

Seine muslimische Familie habe das nicht geduldet und ihm Gottesdienstbesuche verboten, berichtet Nabeel. Er entschloss sich zur Flucht. Christen in Pakistan sind immer wieder Ziel von Anschlägen militanter Islamisten. Für internationale Empörung sorgte der Fall der Christin Asia Bibi, die wegen Gotteslästerung nach dem umstrittenen Blasphemiegesetz zum Tode verurteilt wurde.

Am 27. August dieses Jahres wurde Hasan Nabeel in Haan getauft. Wenn sich der kräftige Mann, der in Pakistan als Metallschmied gearbeitet hat, an diesen Tag erinnert, breitet sich ein Strahlen auf seinem Gesicht aus und er muss sich kurz sammeln, weil ihm die Tränen kommen. „Ich habe so lange darauf gewartet“, sagt er. „Vor der Taufe dachte ich, dass ich durch die Flucht viel verloren habe. Jetzt sehe ich, was ich gewonnen habe.“ Auch wenn die Reaktionen nicht nur positiv waren: In der Flüchtlingsunterkunft reagierten viele andere Bewohner mit Unverständnis und Kritik, als er im Ramadan nicht mehr mitfastete.

Freiheit – mit Jeans und Lederjacke

Er freue sich auf die Aufführung des Luther-Oratoriums im Februar, sagt Nabeel. Überschattet wird die Vorfreude aber von der Unsicherheit, ob er in Deutschland bleiben kann. Seine letzte und entscheidende Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge steht noch aus, einen Termin dafür hat der junge Mann noch nicht. Manchmal mache ihm das Angst, sagt er. „Aber manchmal denke ich auch nicht so viel daran, sondern an meine Freunde und die vielen Sachen, die ich hier mache.“

Sein Lieblingslied aus dem Luther-Oratorium trägt den Titel „Selber denken“, darin heißt es: „Ich will selber denken – ich mit Gott allein“. In seiner Familie habe es Vorschriften für alles gegeben, sagt Nabeel: was er anziehen und essen soll, wen er heiraten darf. Die Jeans und die Lederjacke, die er jetzt trägt, wären zu Hause nicht erlaubt gewesen. An Luther, sagt er, fasziniere ihn daher vor allem die Botschaft der Freiheit: „Wir können selbst Entscheidungen treffen und müssen nicht wie andere Menschen sein. Wir sind nur Gott verantwortlich.“