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Symposium „Wem gehört Luther?“ – Perspektiven, Konfessionen, Politik zum Reformationsjubiläum

Reformationsjubiläum erstmals aus Sicht der großen in Deutschland vertretenen Religionsgemeinschaften

Symposium "Wem gehört Luther?" im Berliner Zeughauskino
(Foto: Deutsches Historisches Museum )

„Wem gehört Luther?“ Dieser Frage gingen im Rahmen eines Symposiums im Berliner Zeughauskino namhafte Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche und Konfessionen auf den Grund. Die Tagung bot einen wissenschaftlichen Überblick zur Person Martin Luther wie auch zur Bedeutung der Reformation. Hierzu erläuterten die Wissenschaftler Hartmut Bobzin, Friedrich Wilhelm Graf, Lucian Hölscher, Thomas Kaufmann, Andreas Nachama, Dorothea Sattler und Heinz Schilling ihre verschiedenen Sichtweisen.

Mit diesem Reigen gelang es der Tagung, einer Kooperationsveranstaltung des Deutschen Historischen Museums Berlin, des Vereins für Reformationsgeschichte und der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017“, das Thema aus Sicht der großen in Deutschland vertretenen Religionsgemeinschaften zu beleuchten – was im Rahmen der Lutherdekade so erstmals geschah.

Lutherrezeption unterschiedlicher Konfessionen

Im vollbesetzen Zeughauskino lauschten Historiker, Theologen, Studenten und interessierte Laien den Vorträgen. Referenten und Zuhörer waren gleichermaßen der Meinung, dass es an der Zeit sei, die Lutherrezeption unterschiedlicher Konfessionen offen zu vergleichen. Auch sollten die politischen Fraktionen, auf dem Hintergrund eines fraktionsübergreifenden Bundestagsbeschlusses zur Förderung der Lutherdekade und des Reformationsjubiläums im Jahr 2011, wieder einmal zu Wort kommen. Einigkeit herrschte zudem in der Feststellung, wie zwiespältig Martin Luther in seinen Aussagen, wie auch als Persönlichkeit war.

Stefan Zowislo, Leiter der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017"
Stefan Zowislo, Leiter der
Staatlichen Geschäftsstelle
„Luther 2017" (Foto: Deutsches
Historisches Museum )

Der Historiker Heinz Schilling hielt den Eröffnungsvortrag und beantwortete die Titelfrage des Symposiums „Wem gehört Luther?“ zunächst mit: „Wir haben Luther nun mal.“ „Wie der erste fallende Dominostein, stieß auch der Thesenanschlag eine Bewegung an“, so skizzierte er den Protest des Reformators als Auslöser und entfaltete weiter die Bedeutung der Reformation für die Entwicklung der Gesellschaft in Deutschland wie auch in Europa.

An Luther scheiden sich die Geister

Einen Vergleich der Lutherrezeption in den beiden deutschen Staaten leistete der Vortrag des Kirchenhistorikers Thomas Kaufmann, wobei er insbesondere die Lutherjubiläen 1967 und 1983 in den Blick nahm. Er erläuterte, dass die Betrachtungen zum Teil weit voneinander abwichen – was aber auch in der historischen Person begründet läge: „Ein Luther, an dem sich die Geister nicht scheiden, ist nicht Luther", stellte er pointiert fest.

Der Historiker und Rabbiner Andreas Nachama erläuterte, wie sich die Lutherrezeption von jüdischer Seite im Laufe der Jahrhunderte veränderte. Er begann seinen Vortrag mit persönlichen Bezügen. So habe seine Mutter, wenn man im November der Opfer der Reichspogromnacht gedachte, auch darauf hingewiesen, dass der 10. November der Geburtstag Martin Luthers sei.

In dieser Nacht hätten die Synagogen tatsächlich so gebrannt, wie Luther es in einer seiner Schriften gefordert habe. Im Übrigen war sein Blick auf den Reformator – auch vor diesem persönlichen Hintergrund – sehr versöhnlich und er schloss seinen Vortrag mit dem Ausblick: „Es ist offen, wie sich die Ansichten auf Luther im Judentum in Zukunft entwickeln werden. Das werden wir sehen.“

„Anhänger von Borussia Dortmund feiern auch kein Jubiläum von Bayern München“ 

Hartmut Bobzin legte mit seinem Vortrag „Martin Luther, die Türken und der Islam" dar, dass es in den arabischen Ländern keine intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Reformation und der Person Martin Luthers gibt, dieser nach seiner Erfahrung aber insgesamt positiv gesehen werde. Der Orientalist ging auf die Äußerungen Luthers zum Islam ein, wobei er betonte, dass Luther diesen Begriff nicht kannte und stattdessen vom „Glauben“ bzw. der „Religion der Türken“ sprach.

Der protestantische Theologe Friedrich Wilhelm Graf erläuterte die Lutherrezeption im 19. Jahrhundert und erklärte, dass die Reformation damals als Revolution begriffen wurde und immer wieder Vergleiche mit der Französischen Revolution gezogen wurden. Weiter spickte er seinen Vortrag mit Kritik an der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und launigen Vergleichen. So kritisierte er, dass die EKD bisher nicht in der Lage gewesen sei zu erklären, was sie 2017 feiern wolle. 

Prof. Dr. Andreas Nachama, Historiker und Rabbiber
Prof. Dr. Andreas Nachama,
Historiker und Rabbiber (Foto:
Deutsches Historisches Museum)

„Luther gehört – auch – den Katholiken“

Weiter arbeitete die katholische Theologin Dorothea Sattler in ihrem Beitrag mit der provokanten Überschrift „Ist Luther katholisch?“, heraus, dass die Reformation auch Anstoß für weitreichende Reformen in der römisch-katholischen Kirche gegeben habe. „Ist die Kirche durch Martin Luther nicht wieder katholischer geworden? Ich neige dazu, ja zu sagen", stellte sie fest. Luther gehöre daher – auch – den Katholiken, so ihre Antwort auf die Titelfrage des Symposiums.

Dankbar für diese vielfältigen Perspektiven des Symposiums auf die Reformationsgeschichte zeigte sich der Historiker Lucian Hölscher und kritisierte, dass die bisherigen Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum zu stark von der protestantischen Theologie geprägt seien. Andere Sichtweisen kämen bisher nicht zur Geltung.

Ausgaben des Bundes für das Reformationsjubiläum verteidigt

Eine Podiumsdiskussion zwischen den Wissenschaftlern und Mitgliedern der im Bundestag vertretenen Fraktionen rundeten das Programm ab. Volker Beck (Bündnis 90/ Die Grüne), Christine Buchholz (Die Linke), Peter Gauweiler (CSU) und Wolfgang Thierse (SPD) waren als Gäste aus der Politik dabei. Die Politiker betonten die Bedeutung der Reformation für die deutsche Gesellschaft und verteidigten die bewilligten Ausgaben des Bundes für das Reformationsjubiläum. Einigkeit herrschte auch dahingehend, dass Martin Luther bei all seiner Widersprüchlichkeit eine wichtige Figur der deutschen Geschichte sei.

So wies der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) darauf hin, dass die Reformation einen andauernden Lernprozess in Sachen Freiheit, Toleranz, Selbstbestimmung der Person angestoßen habe. Christine Buchholz unterstützte, dass alle – auch Nicht-Christen – von Martin Luther lernen könnten, wenn es beispielsweise um den Mut gehe, Institutionen zu kritisieren und für die eigenen Überzeugungen einzustehen. Dass das 500. Reformationsjubiläum daher ein wichtiges Datum ist, das gefeiert werden sollte, dafür gab es zahlreiche Fürsprecher und viel Applaus. Die in den Vorträgen aufgeworfenen Fragen wurden gleichwohl in den Pausen sowie nach der Veranstaltung angeregt diskutiert.

Informationen

Quelle:Luther 2017 Datum:24-10-14
Schlagworte:
Wissenschaft, Berlin, Deutsches Historisches Museum, Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“, Verein für Reformationsgeschichte

Themenjahr 2014

Glaube und Macht, Gewissensfreiheit und Menschenrechte – das sind Themen der Reformation und zugleich der Gegenwart.

Wissenschaftliches Symposium geht der Frage nach: "Wem gehört Luther?“

Die Tagung bot einen wissenschaftlichen Überblick zur Person Martin Luther wie auch zur Bedeutung der Reformation. Dabei wurde das Thema erstmals aus Sicht der großen in Deutschland vertretenen Religionsgemeinschaften beleuchtet.