Skip to main content

Der Unbeugsame aus Prag – Vor 600 Jahren wurde der Reformpriester Jan Hus auf dem Konstanzer Konzil verbrannt

Er kam vor 600 Jahren nach Konstanz, um vor dem Konzil seine Glaubens-überzeugungen zu verteidigen. Am 6. Juli 1415 starb Jan Hus auf dem Scheiterhaufen. Für den deutschen Reformator Martin Luther war er ein Glaubensheld.

Hinrichtung des tschechischen Kirchenreformers Jan Hus (um 1370-1415) als Ketzer auf dem Konzil zu Konstanz am 6. Juli 1415 (Kupferstich von Matthäus Merian d. Ä. (1593-1650), aus: Johann Ludwig Gottfried, Historische Chronica, Frankfurt a. M. (M.Merian) 1630, S. 648; spätere Kolorierung). (Foto: epd/akg-images GmbH)

Seine intensive Lektüre der Bibel machte ihn zu einem scharfen Kritiker der Kirche. Jan Hus (um 1370-1415) verlangte eine radikale Neuorientierung. Dafür bezahlte der böhmische Reformator mit dem Leben. Wenn am Bodensee derzeit an das berühmte Konzil von Konstanz (1414-1418) erinnert wird, das vor 600 Jahren stattfand, dann gehört auch die Erinnerung an die Verbrennung des Priesters aus Prag am 6. Juli 1415 dazu. Selbst ein König wurde im Skandalprozess gegen Hus wortbrüchig.

Unbequeme Botschaft

Über die Kindheit von Jan Hus ist wenig bekannt. Er hatte wohl eine fromme Mutter, besuchte die Lateinschule und studierte dann in Prag unter anderem Theologie und Philosophie. Seine Begabung zum Predigen scheint außergewöhnlich gewesen zu sein. Zwei Jahre nach seiner Priesterweihe bekam er die Predigtstelle in der Bethlehemkapelle in der Prager Altstadt. Bis zu 3.000 Menschen hatten dort Platz, und Hus hielt 200 Predigten im Jahr.

Dass viele Priester mit Konkubinen zusammenlebten, dass selbst Bettelorden große Besitztümer sammelten, dass man kirchliche Positionen wie ein Bischofsamt kaufen konnte – das alles brachte den Prager Prediger in Rage. Er kam zu der Überzeugung, dass es eine „sichtbare Kirche“ gibt, die sich von der „unsichtbaren“ Kirche Gottes mit ihren vorherbestimmten Mitgliedern unterscheidet. Während die sichtbare Kirche Bischöfe, Päpste und Reichtümer für sich reklamiert, genügt der unsichtbaren die Gemeinschaft mit Christus.

Seine Botschaft war für die Mächtigen in der Kirche unbequem, bedeutete sie doch das Ende der weltlichen Herrschaft der Priester und Bischöfe. Hus kam in Konflikt mit den Kirchenoberen, während ihm der böhmische Adel die Stange hielt. Als er sich über ein Predigtverbot hinwegsetzte, traf ihn der Kirchenbann – und er musste 1412 aus Prag fliehen. Im Schutz von Adelsburgen arbeitete er zwei Jahre lang seine Theologie aus, darunter seine berühmte Schrift „Von der Kirche“. Dann kam der Ruf, sich vor dem in Konstanz versammelten Kirchenkonzil zu verantworten.

Königlicher Wortbruch

Obwohl er ein leidenschaftlicher Schachspieler war, dachte Hus nicht nur taktisch. Er wusste um Risiken bei dieser Reise, vertraute aber auch auf einen Brief des römisch-deutschen Königs Sigismund, der ihm freies Geleit zusagte. Drei Wochen nach seiner Ankunft wurde er verhaftet.

Die Konzilverantwortlichen kämpften mit einer Vielzahl von Problemen der Kirche jener Zeit. Ein Ziel war es, von drei einander bekämpfenden Päpsten wieder zu einem gemeinsamen Papst zu kommen. Ausgerechnet in dieser Situation floh Johannes XXIII., der das Konzil einberufen hatte, aus der Stadt. Mit welcher Legitimation sollte das Konzil weiterarbeiten, wenn kein Papst mehr anwesend war? Indem man den Kampf gegen die Ketzer in den Mittelpunkt rückte. Das Opfer hieß Jan Hus.

Das Konzil verurteilte zunächst posthum die Thesen des englischen Theologen John Wycliff (um 1330-1384), der ebenfalls eine Rückbesinnung auf die Bibel gefordert und damit die Autorität der Kirche infrage gestellt hatte. Wenn Hus sich nicht von Wycliff distanzierte, würde er sich selbst in die Ketzerecke manövrieren und eine Verurteilung unausweichlich machen. Viele Indizien sprechen dafür, dass das Konzil viel lieber einen Widerruf des widerspenstigen Böhmen gehört hätte als das Knacken des Holzes auf dem Scheiterhaufen.

„Wir alle sind Hussiten“

Hus blieb aber unbeugsam und schrieb kurz vor seiner Hinrichtung: „Das aber erfüllt mich mit Freude, dass sie meine Bücher doch haben lesen müssen, worin ihre Bosheit geoffenbart wird. Ich weiß auch, dass sie meine Schriften fleißiger gelesen haben als die Heilige Schrift, weil sie in ihnen Irrlehren zu finden wünschten.“ Der anwesende König setzte sich nicht mehr für ihn ein.

Ein Jahr später erlitt Hieronymus von Prag, ein Mitstreiter von Jan Hus, dasselbe Schicksal. Für die Böhmen war klar: Auf diese Kirche und auch auf den deutschen König kann man sich nicht verlassen. 20 Jahre Hussitenkriege waren die Antwort, bei denen allein fünf deutsche Heere in die Flucht geschlagen wurden. Für Martin Luther (1483-1546) war Hus ebenso wie Wycliff ein Vorläufer und ein Vorbild im Glauben, das ihn beim Einsatz für die Reformation inspirierte: „Wir alle sind Hussiten“, soll er über die Reformationsbewegung gesagt haben.

Informationen

Autor:Von Marcus Mockler Quelle:epd Datum:30-06-15
Schlagworte:
Jan Hus, Konstanzer Konzil, Lutherdekade, Reformation,

600 Jahre Konstanzer Konzil – Vier Päpste und zwei tote Reformer

Europa ist in keinem guten Zustand zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Gleich drei Päpste zanken um die Vorherrschaft, obwohl es doch nur ein legitimes Kirchenoberhaupt geben kann. Gegen würdelose Zustände in der Kirche begehren in mehreren Regionen Reformbewegungen auf, die von der geistlichen Obrigkeit schnell als "Ketzerei" gebrandmarkt werden. Dabei wird Reformbedarf durchaus anerkannt, aber eben nicht umgesetzt.