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Wie weit sich weltliche Obrigkeit erstrecke

Drei weitere Originalschriften von Martin Luther (1520).
(Foto: Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt mbH)

Die Anfang 1523 erschienene Schrift von Martin Luther ist eine theologische Auseinandersetzung über das Verhältnis eines Christen zur weltlichen Obrigkeit und ist im Stile einer Predigt gehalten, da er in Form eines Dialoges schreibt. Er reagiert damit, infolge seiner Exkommunikation und der Verhängung der Reichsacht, auf die Verbote von Druck und Verkauf seiner Schriften und der Übersetzung des Neuen Testamentes. Zudem enthält die Schrift eine Widmung an Johann I., Herzog von Sachsen, der eine Anfrage an Luther stellte, inwieweit die Ausübung weltlicher Herrschaft mit christlichem Glauben vereinbar sei.

Hier kommen wir zum Hauptstück dieses Sermons. Denn nachdem wir gelernt haben, daß die weltliche Obrigkeit auf Erden sein muß, und wie man sie christlich und selig gebrauchen solle, müssen wir nun lernen, wie lang ihr Arm und wie weit ihre Hand reiche, daß sie sich nicht zu weit erstrecke und Gott in sein Reich und Regiment greife. Und das ist sehr notwendig zu wissen. Denn unerträglicher und greulicher Schaden folgt daraus, wo man ihr zu weit Raum gibt, und es ist auch nicht ohne Schaden, wo sie zu eng gespannt ist. Hier straft sie zu wenig, dort straft sie zu viel. Obwohl es erträglicher ist, daß sie auf dieser Seite sündige und zu wenig strafe; sintemal es allezeit besser ist, einen Buben leben zu lassen als einen rechtschaffenen Mann zu töten, nachdem die Welt doch Buben hat und haben muß, [262] der Frommen aber wenig hat.

Aufs erste ist zu merken, daß die zwei Teile Adamskinder, deren einer in Gottes Reich unter Christus, deren anderer in der Welt Reich unter der Obrigkeit ist (wie oben gesagt), zweierlei Gesetz haben. Denn ein jegliches Reich muß seine Gesetze und Recht haben, und ohne Gesetz kann kein Reich bestehen, wie das hinreichend die tägliche Erfahrung ergibt. Das weltliche Regiment hat Gesetze, die sich nicht weiter erstrecken als über Leib und Gut und was äußerlich auf Erden ist. Denn über die Seele kann und will Gott niemand regieren lassen als sich selbst allein. Deshalb: wo weltliche Gewalt sich vermißt, der Seele Gesetze zu geben, da greift sie Gott in sein Regiment und verführt und verdirbt nur die Seelen. Das wollen wir so klar machen, daß mans mit Händen greifen solle, auf daß unsere Junker, die Fürsten und Bischöfe sehen, was sie für Narren sind, wenn sie die Menschen mit ihren Gesetzen und Geboten zwingen wollen, so oder so zu glauben.

Wenn man ein Menschengesetz auf die Seele legt, daß sie glauben soll, so oder so, wie derselbe Mensch es angibt, so ist da gewiß nicht Gottes Wort. Ist Gottes Wort nicht da, so ists ungewiß, obs Gott haben will. Denn was er nicht gebietet, dessen kann man nicht sicher sein, daß es ihm gefalle: ja, man ist gewiß, daß es Gott nicht gefalle. Denn er will unsern Glauben bloß und lauter allein auf sein göttliches Wort gegründet haben, wie er Matth. 16, 18 sagt: „Auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen", und Joh. 10, 4. 5: Meine Schafe hören meine Stimme und kennen mich; aber der Fremden Stimme hören sie nicht, sondern fliehen vor ihnen. Daraus folgt denn, daß weltliche Gewalt die Seelen mit solchem Frevelgebot zum ewigen Tode drängt, denn sie zwingt solches zu glauben, als das recht und gewiß Gott gefällig sei, während es doch ungewiß ist, ja gewiß, daß es mißfällt, weil kein klares Gotteswort da ist. Denn wer das für Recht glaubt, was unrecht oder ungewiß ist, der verleugnet die Wahrheit, die Gott selbst ist, und glaubt an die Lügen und Irrtümer, hält das für recht, was unrecht ist.

Deshalb ists ein gar überaus närrisch Ding, wenn sie gebieten, man solle der Kirche, den Vätern, Konzilen glauben, obgleich kein Gotteswort da sei. Teufelsapostel gebieten solches und nicht die Kirche. Denn die Kirche gebietet nichts, sie wisse denn sicher, daß es Gottes Wort sei, wie 1. Petr. 4, 11 sagt: „Wenn jemand redet, daß ers rede als Gottes Wort". Sie werden aber gar lange nicht beweisen, daß der Konzile Sätze Gottes Wort sind. Viel närrischer ists aber noch, wenn man sagt: die Könige und Fürsten und die [263] Menge glaubt so. Mein Lieber, wir sind nicht getauft auf Könige, Fürsten, noch auf die Menge, sondern auf Christus und Gott selbst. Wir heißen auch nicht Könige, Fürsten oder Menge, wir heißen Christen. Der Seele soll und kann niemand gebieten, er wisse ihr denn den Weg gen Himmel zu weisen. Das kann aber kein Mensch tun, sondern Gott allein. Deshalb soll in den Sachen, die der Seele Seligkeit betreffen, nichts als Gottes Wort gelehrt und angenommen werden.

Ferner: wenn sie gleich grobe Narren sind, so müssen sie ja das bekennen, daß sie keine Gewalt über die Seelen haben. Denn es kann ja kein Mensch eine Seele töten oder lebendig machen, gen Himmel oder zur Hölle führen. Und wenn sie uns das nicht glauben wollen, wird Christus das ja stark genug bezeugen, da er Matth. 10, 28 sagt: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und die Seele nicht können töten; fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben kann in der Hölle". Ich meine wenigstens, daß hier klar genug die Seele aus aller Menschen Hand genommen und allein unter Gottes Gewalt gestellt sei. Nun sage mir, wieviel Verstand muß der Kopf wohl haben, der an dem Ort Gebote aufstellt, wo er gar keine Gewalt hat? Wer wollte den nicht für unsinnig halten, der dem Mond geböte, er sollte scheinen, wann er wollte?

Überdies kann mans auch daran begreifen, daß eine jegliche Gewalt nur da handeln soll und kann, wo sie sehen erkennen, richten, urteilen, wandeln und ändern kann. Denn was wäre mir das für ein Richter, der blindlings die Sachen richten wollte, die er weder hört noch sieht? Nun sage mir, wie kann ein Mensch die Herzen sehen, erkennen, richten, beurteilen und ändern? Denn solches ist allein Gott vorbehalten, wie Ps. 7, 9–10 sagt: „Gott prüft Herzen und Nieren", ferner: „Der Herr ist Richter über die Völker", und Apg. 1, 24: „Der Herr kennt alle Herzen", und Jer. 17, 9 f.: „Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding, wer kann es ergründen? Ich, der Herr, kann das Herz ergründen [264] und die Nieren prüfen". Ein Gericht soll und muß ganz sicher sein, wenn es urteilen soll, und alles am hellen Licht haben. Aber der Seelen Gedanken und Gesinnungen können niemand als Gott offenbar sein. Deshalb ist es umsonst und unmöglich, jemand zu gebieten oder ihn mit Gewalt zu zwingen, so oder so zu glauben. Es gehört ein anderer Griff dazu, die Gewalt tuts nicht. Und mich wundern die großen Narren, sintemal sie selbst allesamt sagen: Verborgene Sachen richtet die Kirche nicht. Wenn denn der Kirche geistliches Regiment nur offenbare Dinge regiert, wessen untersteht sich denn die unsinnige, weltliche Gewalt, solch heimlich, geistlich, verborgen Ding, wie es der Glaube ist, zu richten und zu meistern?

Auch geschieht es auf eines jeglichen eigene Gefahr, wie er glaubt, und muß er für sich selbst sehen, daß er recht glaube. Denn so wenig wie ein anderer für mich in die Hölle oder den Himmel fahren kann, so wenig kann er auch für mich glauben oder nicht glauben; und so wenig er mir Himmel oder Hölle auf- oder zuschließen kann, so wenig kann er mich zum Glauben oder Unglauben treiben. Weil es denn einem jeglichen auf seinem Gewissen liegt, wie er glaubt oder nicht glaubt, und weil damit der weltlichen Gewalt kein Abbruch geschieht, soll sie auch zufrieden sein und sich um ihre Sache kümmern und so oder so glauben lassen, wie man kann und will, und niemand mit Gewalt nötigen. Denn es ist ein freies Werk um den Glauben, zu dem man niemand zwingen kann, Ja, es ist ein göttlich Werk im Geist, geschweige denn, daß es äußerliche Gewalt erzwingen und schaffen sollte. Daher ist das allgemein verbreitete Wort genommen; Zum Glauben kann und soll man niemand zwingen.

Dazu sehen die blinden, elenden Leute nicht ein, ein wie gar vergebliches und unmögliches Ding sie vornehmen. Denn wie streng sie gebieten und wie sehr sie toben, so können sie die Menschen (doch) nicht weiter nötigen, als daß sie ihnen mit dem Mund und mit der Hand folgen; das Herz können sie ja nicht zwingen, und wenn sie sich zerreißen sollten. Denn wahr ist das Sprichwort; Gedanken sind zollfrei. Was solls denn nun, daß sie die Menschen im Herzen zu glauben zwingen wollen, obwohl sie sehen, daß es unmöglich ist? Sie treiben damit die schwachen Gewissen mit Gewalt dazu, zu lügen, zu verleugnen und anders zu reden, als sie es im Herzen meinen und beladen sich selbst so mit greulichen fremden Sünden. Denn alle die Lügen und falschen Bekenntnisse, die solch schwache Gewissen tun, fallen zurück auf den, der sie erzwingt. Es wäre jedenfalls viel [265] leichter, wenn ihre Untertanen schon irrten, daß sie sie schlechthin irren ließen, als daß sie sie zur Lüge und anders zu reden nötigten, als sie es im Herzen haben. Es ist auch nicht recht, daß man Bösem mit Ärgerem wehren will.

Aber willst du wissen, warum Gott verhängt, daß die weltlichen Fürsten so greulich anstoßen müssen? Ich will dirs sagen. Gott hat sie in verkehrten Sinn gegeben und will ein Ende mit ihnen machen, gleichwie mit den geistlichen Junkern. Denn meine ungnädigen Herren, Papst und Bischöfe, sollten Bischöfe sein und Gottes Wort predigen. Das lassen sie und sind weltliche Fürsten geworden und regieren mit Gesetzen, die nur Leib und Gut betreffen. Fein haben sie es umgekehrt: Innerlich sollten sie die Seelen durch Gottes Wort regieren, so (aber) regieren sie auswendig Schlösser, Städte, Land und Leute, und martern die Seelen mit unsäglicher Mörderei. Ebenso sollten auch die weltlichen Herren Land und Leute äußerlich regieren. Das lassen sie. Sie konnten nicht mehr als schinden und schaben, einen Zoll auf den andern, einen Zins über den anderen setzen, da einen Bären, hier einen Wolf (zur Jagd) freilassen, dazu kein Recht, Treue noch Wahrheit bei sich gefunden werden lassen, und handeln, daß es Räubern und Buben zuviel wäre, und daß ihr weltlich Regiment ja ebenso tief daniederliegt wie der geistlichen Tyrannen Regiment. Deshalb verkehrt Gott ihren Sinn auch, daß sie widersinnig zufahren und geistlich über Seelen regieren wollen, gleichwie jene weltlich regieren wollen, auf daß sie ja getrost fremde Sünde auf sich laden, Gottes und aller Menschen Haß, bis sie mit Bischöfen, Pfaffen und Mönchen zugrunde gehen, ein Bube mit dem andern. Und danach geben sie an dem allen dem Evangelium schuld und lästern, anstatt ihrer Beichte, Gott und sagen, unsere Predigt habe solches angerichtet, was ihre verkehrte Bosheit verdient hat und noch ohne Unterlaß verdient; wie die Römer auch taten, als sie vernichtet wurden. Siehe, da hast du den Rat Gottes über die großen Hansen. Aber sie sollens nicht glauben, auf daß solch ernster Ratschluß Gottes nicht durch ihre Buße verhindert werde.

Da wendest du ein: Hat doch Paulus Röm. 13 gesagt, jedermann solle der Gewalt und Obrigkeit Untertan sein, und Petrus sagt, wir sollen aller menschlichen Ordnung Untertan sein, Antwort: Da kommst du mir recht; denn die Sprüche dienen für mich. Paulus redet von der Obrigkeit und Gewalt. Nun hast du jetzt gehört, daß über Seelen niemand Gewalt haben kann als Gott. So muß Paulus von keinem Gehorsam reden können als da, wo die Gewalt sein kann. Daraus folgt, daß er nicht vom Glauben redet, nicht davon, daß weltliche Gewalt den Glauben zu gebieten haben solle, sondern von äußerlichen Gütern, diese auf [266] Erden zu ordnen und zu regieren. Das ergeben auch seine Worte deutlich und klar, da er beiden, der Gewalt und dem Gehorsam, das Ziel steckt und Röm. 13, 7 sagt: „So gebet nun jedermann, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt, Zoll, dem der Zoll gebührt, Furcht, dem die Furcht gebührt, Ehre, dem die Ehre gebührt." Siehe da, weltlicher Gehorsam und Gewalt erstrecken sich nur über äußerliche Steuer, Zoll, Ehre, Furcht. Ferner: wenn er V. 3 sagt: „Die Gewalt haben, sind nicht bei den guten Werken, sondern bei den bösen zu fürchten", beschränkt er abermals die Gewalt, daß sie nicht den Glauben oder Gottes Wort, sondern böse Werke meistern soll.

Das will auch Petrus, wenn er sagt: „menschliche Ordnung". Nun kann menschliche Ordnung sich ja nicht in den Himmel und über die Seele erstrecken, sondern nur auf Erden, auf den äußerlichen Wandel der Menschen untereinander, wo Menschen sehen, erkennen, richten, urteilen, strafen und erretten können.

Das alles hat auch Christus selbst fein unterschieden und kurz zusammengefaßt, wenn er Matth. 22, 21 sagt: „Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist". Wenn nun kaiserliche Gewalt sich in Gottes Reich und Gewalt erstreckte und nicht ein Besonderes wäre, sollte ers nicht so unterschieden haben. Denn wie gesagt ist, die Seele ist nicht unter des Kaisers Gewalt, er kann sie weder lehren noch führen, weder töten noch lebendig machen, weder binden noch lösen, weder richten noch urteilen, weder festhalten noch freilassen, welches doch sein müßte, wo er Gewalt hätte, über sie zu gebieten und Gesetze zu erlassen: sondern über Leib, Gut und Ehre hat er wohl solches zu tun, denn solches ist unter seiner Gewalt.

Das alles hat auch David lange zuvor in einen kurzen feinen Spruch gefaßt, wenn er Ps. 115, 16 sagt: „Der Himmel ist der Himmel des Herrn, aber die Erde hat er den Menschenkindern gegeben". Das heißt: was auf Erden ist und zum zeitlichen, irdischen Reich gehört, da hat ein Mensch wohl Gewalt von Gott; aber was zum Himmel und zum ewigen Reich gehört, das ist allein unter dem himmlischen Herrn. Audi hat das Mose nicht vergessen, da er 1. Mose 1, 26 sagt: „Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh". Da ist den Menschen nur ein äußerliches Regiment zugeeignet. Und in Summa ist das die Meinung, wie Petrus Apg. 5, 29 sagt: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen". Damit steckt er ja auch ganz klar der weltlichen Gewalt ein Ziel. Denn wo man alles halten müßte, was weltliche Gewalt wollte, so wäre es umsonst gesagt: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen."

Wenn nun dein Fürst oder weltlicher Herr dir gebietet, [267] es mit dem Papst zu halten, so oder so zu glauben, oder dir gebietet, Bücher von dir zu tun, sollst du so sagen: Es gebührt Luzifer nicht, neben Gott zu sitzen. Lieber Herr, ich bin euch schuldig zu gehorchen mit Leib und Gut; gebietet mir nach dem Maß eurer Gewalt auf Erden, so will ich folgen. Heißt ihr mich aber glauben und Bücher von mir zu tun, so will ich nicht gehorchen. Denn da seid ihr ein Tyrann und greift zu hoch, gebietet, wo ihr weder Recht noch Macht habt usw. Nimmt er dir darüber dein Gut und straft solchen Ungehorsam: selig bist du und danke Gott, daß du würdig bist, um göttlichen Worts willen zu leiden. Laß ihn nur toben, den Narren, er wird seinen Richter wohl finden. Denn ich sage dir, wo du ihm nicht widersprichst und ihm Raum gibst, daß er dir den Glauben oder die Bücher nimmt, so hast du wahrlich Gott verleugnet.

Damit ich dafür ein Beispiel gebe: In Meißen, Bayern und in der Mark Brandenburg und an andern Orten haben die Tyrannen ein Gebot ausgehen lassen, man solle die Neuen Testamente an die Amtsstellen hin und her überantworten. Hier sollen ihre Untertanen so tun: nicht ein Blättlein, nicht einen Buchstaben sollen sie überantworten, bei Verlust ihrer Seligkeit. Denn wer es tut, der übergibt Christus dem Herodes in die Hände. Denn sie handeln als Christusmörder wie Herodes. Sondern das sollen sie leiden, wenn man befiehlt, ihnen durch die Häuser zu laufen und mit Gewalt zu nehmen, es seien Bücher oder Güter. Dem Frevel soll man nicht widerstehen, sondern ihn leiden; man soll ihn aber nicht billigen, noch dazu dienen oder folgen oder mit einem Schritt oder mit einem Finger gehorchen. Denn solche Tyrannen handeln, wie weltliche Fürsten sollen. Es sind weltliche Fürsten; die Welt aber ist Gottes Feind, deshalb müssen sie auch tun, was Gott zuwider, der Welt aber gemäß ist, auf daß sie ja nicht ehrlos werden, sondern weltliche Fürsten bleiben. Deshalb laß dichs nicht wundern, wenn sie wider das Evangelium toben und die Narren spielen; sie müssen ihrem Titel und Namen Genüge tun.

Und du sollst wissen, daß es von Anbeginn der Welt gar ein seltener Vogel ist um einen klugen Fürsten, noch viel [268] seltener um einen frommen Fürsten. Sie sind im allgemeinen die größten Narren oder die ärgsten Buben auf Erden; weshalb man bei ihnen allezeit auf das ärgste gefaßt sein und wenig Gutes von ihnen erwarten muß, besonders in göttlichen Sachen, die der Seelen Heil belangen. Denn es sind Gottes Stockmeister und Henker, und sein göttlicher Zorn gebraucht sie, die Bösen zu strafen und äußerlichen Frieden zu halten. Es ist ein großer Herr, unser Gott. Deshalb muß er auch solche edlen, hochgeborenen, reichen Henker und Büttel haben, und will, daß sie Reichtum, Ehre und Furcht von jedermann den Überfluß und die Menge haben sollen. Es gefällt seinem göttlichen Willen, daß wir seine Henker „gnädige Herrn" nennen, ihnen zu Füßen fallen und mit aller Demut Untertan sind, sofern sie ihr Handwerk nicht zu weit erstrecken, so daß sie Hirten aus Henkern werden wollen. Gerät nun ein Fürst, daß er klug, fromm oder ein Christ ist, das ist der großen Wunder eins und das allerteuerste Zeichen göttlicher Gnade über dasselbe Land. Denn nach allgemeinem Lauf geht es nach dem Spruch Jes. 3, 4: „Ich will ihnen Knaben zu Fürsten geben und Mutwillige sollen über sie herrschen", und Hosea 13, 11: „Ich gebe dir Könige in meinem Zorn und will sie dir nehmen in meinem Grimm". Die Welt ist zu böse und nicht wert, daß sie viele kluge und fromme Fürsten haben sollte. Frösche müssen Störche haben.

Da sagst du abermals: Ja, weltliche Gewalt zwingt nicht zu glauben, sondern wehrt nur äußerlich, daß man die Menschen nicht mit falscher Lehre verführe; wie könnte man sonst den Ketzern wehren? Antwort: Das sollen die Bischöfe tun, denen ist solches Amt befohlen und nicht den Fürsten. Denn Ketzerei kann man nimmermehr mit Gewalt wehren. Es gehört ein anderer Griff dazu, und es ist hier ein anderer Streit und Handel als mit dem Schwert. Gottes Wort soll hier streiten; wenns das nicht ausrichtet, so wirds wohl von weltlicher Gewalt unausgerichtet bleiben, wenn sie auch gleich die Welt mit Blut füllte. Ketzerei ist ein geistlich Ding, das kann man mit keinem Eisen zerhauen, mit keinem Feuer verbrennen, mit keinem Wasser ertränken. Es ist aber allein das Gotteswort da, das tuts, wie Paulus 2. Kor. 10, 4 f. sagt: „Die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlich, sondern mächtig im Dienste Gottes, zu zerstören Befestigungen. Wir zerstören damit Anschläge und alles Hohe, das sich erhebt wider die Erkenntnis Gottes, und nehmen gefangen alle Gedanken unter den Gehorsam Christi".

Dazu gibt es keine größere Stärkung des Glaubens und der Ketzerei, als wo man ohne Gottes Wort mit bloßer Gewalt dawider handelt. Denn man hälts da für gewiß, daß [269] solche Gewalt die rechte Sache nicht für sich hat und gegen das Recht handle, weil sie ohne Gottes Wort einherfährt und sich sonst nichts als mit bloßer Gewalt zu behelfen weiß, wie die unvernünftigen Tiere tun. Denn man kann auch in weltlichen Sachen nicht mit Gewalt dazwischenfahren, es sei denn das Unrecht zuvor durch das Recht überwunden. Wieviel unmöglicher ists, in diesen hohen geistlichen Sachen mit Gewalt ohne Recht und Gottes Wort zu handeln! Damm siehe, wie feine, kluge Junker mir das sind. Sie wollen Ketzerei vertreiben, und greifen (sie) damit an, womit sie den Widerpart nur stärken, sich selbst verdächtig und jene gerechtfertigt machen. Lieber, willst du Ketzerei vertreiben, so mußt du den Griff treffen, daß du sie vor allen Dingen aus dem Herzen reißest und (sie) gründlich, mit Zustimmung (des von ihr Befallenen), abwendest. Das wirst du mit Gewalt nicht zu Ende bringen, sondern nur stärken. Was hilft dirs denn, wenn du die Ketzerei in dem Herzen stärkst und nur auswendig, auf der Zunge, schwächst und zu lügen nötigst? Gottes Wort aber, das erleuchtet die Herzen; und damit fallen dann von selbst alle Ketzer und Irrtümer aus dem Herzen.

Von solchem Zerstören der Ketzerei hat der Prophet Jesaja verkündigt und 11, 4 gesagt; „Er wird den Gewalttätigen mit dem Stabe seines Mundes schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten". Da siehst du, daß es durch den Mund ausgerichtet wird, wenn der Gottlose getötet und bekehrt werden soll. Summa Summarum: Solche Fürsten und Tyrannen wissen nicht, daß gegen Ketzerei streiten gegen den Teufel streiten sei, der die Herzen mit Irrtum besitzt, wie Paulus Eph. 6, 12 sagt: „Wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen" usw. Darum, so lange man nicht den Teufel wegstößt und von den Herzen jagt, so ists ihm, wenn ich mit Schwert oder Feuer seine Werkzeuge umbringe, gleich, als wenn ich mit einem Strohhalm gegen den Blitz stritte. Das hat Hiob 41, 19 ff. alles reichlich bezeugt, da er sagt, daß der Teufel Eisen wie Stroh achte und keine Gewalt auf Erden fürchte. Man sieht es auch wohl durch die Erfahrung. Denn wenn man gleich alle Juden und Ketzer mit Gewalt verbrennte, so ist und wird doch keiner dadurch überwunden noch bekehrt.

Doch solche Welt soll solche Fürsten haben, daß kein Teil sein Amt wahrnehme. Die Bischöfe sollen das Wort Gottes liegen lassen und die Seelen nicht damit regieren, sondern sollen den weltlichen Fürsten befehlen, daß diese mit dem Schwert daselbst regieren. Umgekehrt sollen die weltlichen Fürsten Wucher, Raub, Ehebruch, Mord und andere böse Werke hingehen lassen und selbst treiben, danach von den [270] Bischöfen mit Bannbriefen strafen lassen, und so den Schuh fein umkehren: mit Eisen die Seelen und mit Briefen den Leib regieren, daß weltliche Fürsten geistlich und geistliche Fürsten weltlich regieren. Was hat der Teufel sonst auf Erden zu schaffen, als daß er mit seinem Volk so gaukele und Fastnachtspiel treibe? Das sind unsere christlichen Fürsten, die den Glauben verteidigen und den Türken fressen. Ja freilich feine Gesellen, auf die gut zu vertrauen ist: sie werden mit solcher feinen Klugheit etwas ausrichten, nämlich, daß sie den Hals brechen und Land und Leute in Jammer und Not bringen.

Ich wollte aber den verblendeten Leuten gar treulich raten, daß sie sich vor einem kleinen Sprüchlein vorsehen, das im 107. Psalm steht: „Er schüttete Verachtung aus auf die Fürsten" (V. 40). Ich schwöre euch bei Gott: werdet ihrs so machen, daß dies kleine Sprüchlein über euch in Schwang kommt, so seid ihr verloren, wenn auch jeder von euch so mächtig wie der Türke wäre, und wird euch euer Schnauben und Toben nichts helfen. Es hat schon zum großen Teil angefangen. Denn gar wenig Fürsten sind, die man nicht für Narren oder Buben hält. Das macht, sie erweisen sich auch so, und der einfache Mann wird verständig, und der Fürsten Plage, die Gott „Verachtung" nennt (Ps. 107, 40), geht gewaltig daher unter dem Volke und einfachen Mann. Ich fürchte, dem werde nicht zu wehren sein, die Fürsten stellen sich denn fürstlich und fangen wieder an, mit Vernunft und säuberlich zu regieren. Man wird nicht, man kann nicht, man will nicht eure Tyrannei und Mutwillen auf die Dauer leiden. Liebe Fürsten und Herren, da wisset euch nach zu richten, Gott wills nicht länger haben. Es ist jetzt nicht mehr eine Weit wie vorzeiten, da ihr die Menschen wie das Wild jagtet und triebet. Deshalb laßt euern Frevel und Gewalt und seid darauf bedacht, daß ihr rechtlich handelt, und laßt Gottes Wort seinen Gang haben, den es doch haben will, muß und soll, und den ihr nicht hindern werdet. Ist Ketzerei da, die überwinde man, wie sichs gebührt, mit Gottes Wort. Werdet ihr aber viel Schwertzücken treiben, so sehet zu, daß nicht einer komme, der es euch einstecken heiße, (aber) nicht in Gottes Namen.

Möchtest du aber einwenden: Weil denn nun unter den Christen kein weltlich Schwert sein soll, wie will man sie denn äußerlich regieren? Es muß ja Obrigkeit auch unter den Christen bleiben. Antwort: Unter den Christen soll und kann keine Obrigkeit sein, sondern ein jeglicher ist zugleich dem andern Untertan, wie Paulus Röm. 12, 10 sagt: „Einer [271] komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor", und 2. Petr. 5, 5: Seid allesamt untereinander Untertan. Das will auch Christus Luk. 14,10: „Wenn du (zur Hochzeit) geladen wirst, so setze dich untenan". Es ist unter den Christen kein Oberster, als nur Christus selbst und allein. Und was kann da für Obrigkeit sein, wo alle gleich sind und einerlei Recht, Macht, Cut und Ehre haben? Wo dazu keiner begehrt, des andern Oberster zu sein, sondern jeglicher des andern Unterster sein will? Könnte man doch, wo solche Leute sind, keine Obrigkeit aufrichten, wenn mans auch gerne tun wollte, weil es die Art und Natur (der Christen) nicht leidet, Oberste zu haben, da keiner Oberster sein will noch kann. Wo aber nicht solche Leute sind, da sind auch nicht rechte Christen.

Was sind denn die Priester und Bischöfe? Antwort: ihr Regiment ist nicht eine Obrigkeit oder Gewalt, sondern ein Dienst und Amt. Denn sie sind nicht höher noch besser vor andern Christen. Darum sollen sie auch kein Gesetz noch Gebot über andere aufstellen ohne derselben Willen und Erlaubnis, sondern ihr Regieren ist nichts anderes als Gottes Wort treiben, damit die Christen führen und Ketzerei überwinden. Denn, wie gesagt ist, die Christen kann man mit nichts außer allein mit Gottes Wort regieren. Denn Christen müssen im Glauben regiert werden, nicht mit äußerlichen Werken. Glaube kann aber durch kein Menschenwort, sondern nur durch Gottes Wort kommen, wie Paulus Röm. 10, 17 sagt: „Der Glaube kommt aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi". Welche nun nicht glauben, die sind nicht Christen, die gehören auch nicht unter Christi Reich, sondern unter das weltliche Reich, daß man sie mit dem Schwert und äußerlichem Regiment zwinge und regiere. Die Christen tun von sich selbst aus ungezwungen alles Gute und haben für sich genug allein am Gotteswort. Doch davon hab ich sonst viel und oft geschrieben.