Skip to main content

Luther als Vorkämpfer? In Gera untersucht eine Tagung den Umgang mit der Reformation in früheren Zeiten

Denkmal des Reformators Martin Luther (1483-1546) in Möhra, dem Stammort der Lutherfamilie, zwischen Eisenach und Bad Salzungen (Thüringen) (Foto: © epd-bild / Norbert Neetz)

War Martin Luther ein Vorkämpfer für die Volksaufklärung und eine Lichtgestalt? Wissenschaftler unterschiedlicher Provenienz suchen auf einer Tagung im ostthüringischen Gera bis Samstag Antworten auf diese und andere Fragen zur Rezeptionsgeschichte.

Der Umgang mit dem Erbe der Reformation in früheren Jahrhunderten steht seit Donnerstag im Mittelpunkt einer Fachtagung in Gera. Die Konferenz unter dem Titel „Luther als Vorkämpfer?“ gilt vor allem der Erinnerungskultur um 1800 und der Bedeutung des 1517 ausgelösten Umbruchs für die Volksaufklärung im 19. Jahrhundert. Zwischen dieser Bewegung zur Wissensvermittlung gebe es zahlreiche inhaltliche und strukturelle Parallelen, sagte der Jenaer Historiker Werner Greiling zum Auftakt des dreitägigen Treffens.

Protestantismus als Auslöser neuer Denkprozesse

Thüringen sei nicht nur ein Kernland der Reformation, sondern auch der Volksaufklärung, stellte Greiling, Vorsitzender der Historischen Kommission für Thüringen, fest. Die meisten Träger der damaligen Bildungsbewegung seien evangelische Geistliche gewesen. In ihren

Schriften hätten sie immer wieder die Reformation und die Bedeutung Martin Luthers thematisiert. Nach Auffassung der Volksaufklärer hätten die religiösen und sozialen Auswirkungen der Reformation auch zu einer Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen geführt.

Zudem seien sie der Auffassung gewesen, der Protestantismus habe neue Denkprozesse ausgelöst und damit Voraussetzungen für die gesellschaftliche Modernisierung geschaffen, erläuterte Greiling. Luther sei für sie bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts „Vorbild und Vermittler von ethischen Werten“ gewesen. „Die Volksaufklärung sah sich in der Tradition der Reformation und hat sie in Teilen instrumentalisiert.“ Allerdings sei dieser Zusammenhang bisher kaum erforscht.

Differenziertes Lutherbild unumgänglich

Der Reformationsbeauftragte der Thüringer Landesregierung, Thomas A. Seidel, bezeichnete angesichts der Reformationsjubiläen früherer Zeiten ein differenziertes Bild von Luther und Aufklärung als unumgänglich. Dazu gehöre in Thüringen nicht zuletzt auch Johann Gottfried Herder als der Weimarer Generalsuperintendent der Goethezeit. 

Zu der Tagung von Historikern, Theologen, Kirchengeschichtlern und Volkskundlern gehört ein öffentlicher Vortrag des Luther-Biographen Heinz Schilling zu den weltgeschichtlichen Zusammenhängen von 1517. Die Tagung ist Teil des Forschungsprojekts „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“ unter Leitung der Jenaer Historiker Greiling und Uwe Schirmer.

Informationen

Quelle:epd Datum:02-07-15