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„Luther 2017“ darf auch kontrovers sein

Mit dem zweiten „Jour Fixe mit Luther“ zog die Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“ in diesem Jahr eine Zwischenbilanz

(Foto: André Wagenzik)

Mit großen Schritten geht es auf das Reformationsjubiläum 2017 zu. Bund, Länder und Kirchen bereiten gemeinsam das Jubiläumsjahr vor, den 500. Jahrestag der Veröffentlichung von Luthers Thesen in Wittenberg. Doch wo stehen, sechs Jahre nach Beginn der Lutherdekade, die Vorbereitungen für das große Jubiläum? Um Aufschluss darüber zu geben, hat die Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“ zum zweiten „Jour Fixe mit Luther“ in die Berliner Kalkscheune eingeladen. Die Tagung präsentierte die staatlich-weltlichen Aktivitäten im Rahmen der Lutherdekade und gab einen Ausblick auf die kommenden Jahre bis zum Reformationsjubiläum.

Auf der Suche nach dem zeitgenössischen Umgang

Das Themenjahr 2015, das vor wenigen Wochen in Hamburg eröffnet wurde, behandelt nicht nur das Thema „Bild und Bibel“, sondern wird auch anlässlich des 500. Geburtstages des Künstlers, Cranach des Jüngeren, als das „große Cranach-Jahr“ bezeichnet. Stephan Dorgerloh, der Kultusminister von Sachsen-Anhalt, hob in seinem Video-Grußwort noch einmal die Bedeutung des Künstlers hervor, indem er die Luther-Stadt Wittenberg zur „Cranach-City“ erklärte. „Die Wege zu Cranach sind etwas, das uns verbindet, auch auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017.“ Dabei sei es jedoch notwendig sich zeitgenössisch mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

(Foto: André Wagenzik)

Die Frage nach dem zeitgenössischen Umgang mit dem Thema Reformation wurde von den Teilnehmern im Verlauf des Jour Fixe immer wieder aufgegriffen. „Gerade das Thema ‚Bild und Bibel‘“, so der Geschäftsführer der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017“, Stefan Zowislo, „hätte dazu eingeladen, sich prominenter mit dem Thema Medien auseinanderzusetzen.“ Er bedauere deshalb, dass der Titel des Themenjahres abgeändert worden sei, da wir uns heute mit dem Internet an einer Schwelle des medialen Umbruchs befinden, der vergleichbar sei mit der Rolle des Buchdruckes zur damaligen Zeit. In seinem Eröffnungsvortrag „Luther im Bilde“ griff der Moderator und Publizist Dirk Pilz diesen Prozess auf: „Wir leben in Zeiten, in denen Bilder zum Leitmedium geworden sind, vom Bild in der Zeitung bis hin zum Selfie“. Dieser Medienwandel bringe auch mehr Medienkanäle mit sich, was dazu führe, dass „sich die Botschaft selbst verändert.“

Käßmann: Jubiläum ohne Streit wäre langweilig

Am Nachmittag wurde der Mensch Luther in zwei Gesprächsrunden von unterschiedlichen Standpunkten beleuchtet. Für Margot Käßmann, Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017, stellt Luther als eine Symbolfigur dar, an der sich die Menschen reiben. „Ein Jubiläum ist furchtbar langweilig, wenn es nicht auch eine Auseinandersetzung gibt“, so die Theologin. Sie warnte deshalb davor, „Luther weichzuspülen“. Vielmehr spiegle das aktuelle Ringen um die Einordnung der Reformation auch die Bedeutung wieder, die das Ereignis nach 500 Jahren noch habe.

Christoph Stölzl, Präsident der Hochschule für Musik in Weimar, und Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, bescheinigten dem Reformator mit Blick auf dessen „Judenschriften“ einen widersprüchlichen Charakter. „Es ist gut, dass er so schwierig ist, sonst könnte man sich an ihm nicht abarbeiten“, erklärte Stölzl. Krüger erwartet deshalb zum Reformationsjubiläum eine Auseinandersetzung um die unterschiedlichen Deutungsgeschichten: „Wer über Erinnerung redet, der redet zu allererst über seine Gegenwart." Auch der Journalist Matthias Drobinski warnte davor, Jubiläen dieser Art für bestimmte Intentionen zu besetzen. Die Gefahr liege für ihn in einer möglichen Homogenität, der Gleichheit, des Jubiläums. Dieser Eindruck dürfe aber nicht entstehen, wie etwa 1983 beim Lutherjubiläum, als die BRD und die DDR den Reformator für sich vereinnahmten. 

Margot Käßmann, die Botschafterin des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für das Reformationsjubiläum 2017 (Foto: André Wagenzik)

Projektvielfalt rund um das Reformationsjubiläum

Wie weit die Reformation auch über Martin Luther hinausgeht, zeigen die unterschiedlichen und vielfältigen Themenprojekte, die während des Jour Fixe vorgestellt wurden. Beim Spaziergang durch den „Projektgarten“ präsentierte die rbb-Journalistin Claudia Henne zusammen mit den jeweiligen Gesprächspartnern die einzelnen Projekte. Zum Thema „Aufs Maul geschaut“ erwartet den Besucher ab Juni in der Berliner Akademie der Künste ein begehbares Wörterbuch, das ihn über die sprachschöpferischen Leistungen Martin Luthers und dessen Einfluss auf die deutsche Sprache informieren wird. Unter dem Motto „Bewegte Zeiten, damals und heute“ wird das Gutenberg-Museum im kommenden Jahr die Ausstellung „Am achten Tag schuf Gott die Cloud – Die Reformation als Medienereignis in Wort und Bild“ veranstalten. Die Ausstellung versteht sich damit als Brücke zwischen dem Buchdruck und dem Internet, das für uns heute so selbstverständlich geworden ist, wie es für Luther damals der Buchdruck war.

Diese Parallelen zwischen damals und heute spielten für die Teilnehmer des Podiums eine wichtige Rolle. Mit Arnd Brummer, Christiane Florin, Claudia Keller und Paul-Josef Raue diskutierten vier angesehene Journalisten kritisch und angeregt über die einzelnen Aspekte der präsentierten Ausstellungen. Sie waren sich darin einig, dass Luther eine historische Gestalt sei, die mit all ihren Widersprüchlichkeiten nur schwer zu greifen sei. Umso aufgeschlossener zeigten sie sich über die innovativen und neuen, museumspädagogischen Ansätze der jeweiligen Ausstellungen. Besondere Aufmerksamkeit erfuhr das Pop-Oratorium „Luther“ der Stiftung Creative Kirche in Kooperation mit der Evangelischen Kirche von Westfalen und der EKD, das anhand der einzelnen Stationen Martin Luthers die Grundlagen der Reformation erzählt. 20 neu komponierte Lieder, Luther Originale und Choräle werden von 2.000 Sängerinnen und Sängern rockig, poppig und jazzig inszeniert. Die Welturaufführung wird am Reformationstag 2015 in der Dortmunder Westfalenhalle sein.

Kulturstaatsministerin unterstützt neue Projekte

Die Anzahl und Vielfalt der Projekte, wie die Cranach Ausstellungen in Sachsen-Anhalt, der spirituelle „Lutherweg“ in Sachsen oder die 1. Nationale Sonderausstellung in Torgau, „Luther und die Fürsten“, beweisen, wie intensiv sich Länder, Kommunen aber auch private Initiativen in die Vorbereitung des Reformationsjubiläums einbringen. Der Ministerialdirektor bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Günter Winands, erklärte deshalb, dass die Kulturstaatsministerin Monika Grütters im Rahmen der Lutherdekade 21 neue Projekte mit 7,6 Mio. Euro fördern werde. Für verschiedene Programme und Angebote zum Thema Reformation werden damit bis 2017 insgesamt 42 Millionen Euro aus dem Etat der Kulturstaatsministerin zur Verfügung gestellt. Der Grund für das starke Engagement der Bundesregierung seien die Auswirkungen der Reformation, die weit über die Person Martin Luthers hinausgehen: „Bis heute reichen sie in politische, gesellschaftliche und kulturpolitische Entwicklungen hinein, und zwar weltweit.“

Zum Abschluss des Jour Fixe wurde der Kurzfilm „Auf dem Weg zum Reformationsjubiläum“ der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017“ gezeigt, der dazu anregen soll, sich auch heute noch mit dem Wirken der Reformation aktiv auseinanderzusetzen – auf eine zeitgenössische Weise.


Der Film kann in der Staatlichen Geschäftsstelle "Luther 2017" ausgeliehen werden.

Kontakt: Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017”

Collegienstraße 62 c
06886 Lutherstadt Wittenberg
T.: +49 (0) 3491 466 112
F.: +49 (0) 3491 466 281

Informationen

Autor:Michael Achhammer Datum:28-11-14
Schlagworte:
Lutherdekade, Margot Käßmann, Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“, Luther entdecken, Jour-Fixe mit Luther