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Im Epizentrum der Reformation

Keine Stadt ist so eng mit der Reformation verbunden wie das beschauliche Wittenberg im Osten Sachsen-Anhalts. Dass Martin Luther dort vor 500 Jahren seine Thesen an die Schlosskirche der Stadt schlug, wird Besuchern auf Schritt und Tritt offenbar.

Denkmal Martin Luthers
Das Denkmal des Reformators Martin Luther mit der von ihm ins Deutsche übersetzten Bibel in der Hand auf dem Marktplatz der Lutherstadt Wittenberg (Bild: epd-bild/Norbert Neetz)

Wittenberg putzt sich heraus für die Reformationsfeierlichkeiten im kommenden Jahr: An Stadtkirche und Schlosskirche sind die Baugerüste gefallen. Für das Panorama in Form eines meterhohen Rundbilds des Künstlers Yadegar Asisi, das im Oktober eröffnet werden soll, steht schon das Metallgerippe. Auch am Bahnhof wird gewerkelt. Soviel Bautätigkeit war selten in der kleinen Stadt auf halber Strecke zwischen Leipzig und Berlin, in der der Reformator Martin Luther (1483-1546) vor knapp 500 Jahren ein Weltereignis auslöste.

Wittenberg bereitet sich auf 2017 vor

Schon am Ortseingang werden Besucher unmissverständlich in der „Lutherstadt Wittenberg“ begrüßt. Diesen amtlichen Titel trägt die Stadt seit dem Jahr 1938. Wer nicht mit dem Auto unterwegs ist, muss sich darauf einstellen, dass vom Hauptbahnhof nur alle halbe Stunde ein Bus ins Stadtinnere fährt. Allerdings sind die Distanzen so gering, dass sich Besucher auch zu Fuß auf den Weg machen können.

„Bei der Hardware, also den Bauvorhaben, sind wir auf der Zielgeraden“, sagt  Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos). Der Marktplatz, auf dem Denkmäler Martin Luthers und Philipp Melanchthons (1497-1560) sowie das Alte Rathaus stehen, ist bereits ein Schmuckstück. Er ist nur durch einige Bürgerhäuser von der St. Marienkirche getrennt. Die 1439 eingeweihte Stadt- und Pfarrkirche ist das älteste Gebäude Wittenbergs. Dort predigte der Reformator.

Neben dem Reformationsaltar des Malers Lucas Cranach dem Älteren sind das kunstvoll dekorierte Taufbecken sowie die prunkvolle Orgel sehenswert. In der benachbarten Fronleichnamskapelle forderte Luther 1518 den Papst auf, ein Konzil einzuberufen, das über seinen Ketzerprozess entscheiden sollte.

Turm der Wittenberger Schlosskirche
Die Coswiger Straße in Wittenberg ist das Herz der Altstadt. Im Hintergrund der Turm der Schlosskirche (Bild: Rolf Zoellner / epd-bild)

Ein Geschichtsausflug

In den Lutherstätten ist laut Stiftungsdirektor Stefan Rhein ein Anstieg der Besucherzahlen spürbar, für 2017 wird ein deutlicher Rekord erwartet. Für viele Besucher ein Muss: die Schlosskirche etwas außerhalb des Stadtzentrums. „Ein feste Burg ist unser Gott“ – diese Zeile aus dem von Luther geschriebenen und komponierten Kirchenlied prangt in großen Lettern auf dem Turm der Kirche, die UNESCO-Welterbestätte ist.

An die Tür des Haupteingangs soll der damalige Universitätsdozent und Mönch Luther am 31. Oktober 1517 seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel geschlagen haben. Im Inneren können die Gräber des Reformators und seines Weggefährten Melanchthon besichtigt werden. Die Wiedereröffnung der renovierten Schlosskirche wird am 2. Oktober 2016 gefeiert.

Für viele Deutsche ist Wittenberg ein Geschichtsausflug. Für viele ausländische Gäste, etwa aus den USA oder Südkorea, ist es eine oft emotionale Pilgerreise zum Ursprungsort ihres Glaubens, zu ihren geistlichen und geistigen Wurzeln.

Lutherhaus in Wittenberg
Das Lutherhaus in Wittenberg (Bild: Anne Hasselbach, © Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt)

Größtes reformationsgeschichtliche Museum der Welt

Dieses Interesse ist auch an einer weiteren UNESCO-Welterbestätte in der Collegienstraße spürbar: Im Jahr 1504 als Augustinerkloster erbaut, wurde das Gebäude später zum Wohnhaus Luthers. Heute ist das Lutherhaus das größte reformationsgeschichtliche Museum der Welt. Rund 1.000 originale Exponate, darunter die Kanzel, von der aus Luther in der Stadtkirche predigte, erzählen vom Leben und Werk des Reformators und seinem familiären Alltag. Denn Martin Luther gab nicht nur 1524 sein Mönchsleben auf, er heiratete auch 1525 im Augustinerkloster die ehemalige Nonne Katharina von Bora. Sie bekamen drei Töchter und drei Söhne.

Ab Ende August bis Anfang März 2017 ist die Dauerausstellung aber geschlossen, im benachbarten Augusteum ist ab dem 28. August die Sonderschau „Martin Luther. Sein Leben in Bildern“ zu sehen.

Schon zur Zeit der Reformation hatte Wittenberg eine bewegte Geschichte hinter sich. Bereits der Kurfürst von Sachsen-Wittenberg, der Askanier Rudolf II., wählte die Stadt 1356 als Residenz. Die Historische Stadtinformation in der ehemaligen Franziskanerklosterkirche erzählt die Geschichte der Askanier und damit vom Ursprung des heutigen Sachsen-Anhalt.

Das Haus der Geschichte informiert über das Alltagsleben in der ehemaligen DDR und die ostdeutsche Geschichte. Nach der durch die Wende ausgelösten Abwanderung leben heute noch rund 48.000 Menschen in Wittenberg und Umgebung. Seit dem Start der Lutherdekade 2008 hat die Stadt einen Aufschwung erlebt. „Das Wittenberg des Jahres 2017 ist ein Gesamtkunstwerk“, sagt Stiftungsdirektor Rhein.


Informationen

Autor:David Schäfer Quelle:epd Datum:15-08-16
Schlagworte:
Luther in Wittenberg, Reformation, Martin Luther, 95 Thesen

Lutherstadt Wittenberg

Auch wenn der Thesenanschlag historisch nicht sicher belegt ist, knüpft sich an dieses Bild der Ruf Wittenbergs.

Wittenberg – Auf dem Weg zum Gesamtkunstwerk

Seitdem Martin Luther vor seinem Thesenanschlag an die dortige Universität kam, war Wittenberg sein Lebensmittelpunkt. Das Bild der Stadt als authentischer Ort zeichnet sich schon ein Jahr vor dem Start der Weltausstellung Reformation ab.