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„Die Alice Schwarzer der Reformation“ – Ausstellung „eine STARKE FRAUENgeschichte“

Eröffnung mit Reformationsbotschafterin Margot Käßmann und Sachsens Kunstministerin Sabine von Schorlemer (parteilos)

Elisabeth von Rochlitz
Elisabeth von Rochlitz, auch genannt von Sachsen, von Lucas Cranach d. Ältere (Bild: Udo Baumbach,Schloss Rochlitz,Edition Leipzig/wikipedia)

Die Geschichte der Reformation in Deutschland wird bislang von Männern dominiert. Spätestens mit der aktuellen Sonderausstellung auf Schloss Rochlitz (Landkreis Mittelsachen) wird hier aber umgedacht werden müssen. Unter dem Motto „eine STARKE FRAUENgeschichte“ werden auf dem für 18,5 Millionen Euro sanierten Schloss Lebenswege von Frauen des 16. Jahrhunderts präsentiert. Damit verändert sich auch das Bild der Reformation als einem rein männlich geprägten Ereignis.

Frauen der Reformation im Fokus

Die mit Blick auf das 500. Reformationsjubiläum 2017 gestaltete Ausstellung ist am 1. Mai im Beisein der Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, und Sachsens Sozialministerin Christine Clauß (CDU) eröffnet worden. Käßmann würdigte die Präsentation als einen gelungenen Beitrag zum 500. Reformationsjubiläum 2017. „Dass die Frauen im Blick sind, verändert den Blick auf die Reformation“, sagte Käßmann bei der Eröffnung: „Das ist etwas Neues.“ Die Staatsministerin sagte, es sei gelungen, die unbekannten Heldinnen in den Mittelpunkt zu stellen.

Im Fokus stehen unangepasste und lange Zeit vergessene Frauen der Reformation. Eine Ausnahme ist wohl Luthers Frau, die weithin bekannte Katharina von Bora (1499-1552). Die Schau würdigt die ehemalige Nonne als Teil der reformatorischen Bewegung. Zu sehen sind etwa drei Kopien nach dem Ehering der „Lutherin“ aus Gold und Rubin von 1525 und ein Teil des Weihwasserbeckens aus dem Kloster Nimbschen bei Grimma, wo sie einst lebte.

Der Ehevertrag brachte Elisabeth die Freiheit

Im Zentrum der Schau aber steht Herzogin Elisabeth von Rochlitz (1502-1557), die vor Ort zwischen 1537 und 1547 wirkte und eine der einflussreichsten Frauen der reformatorischen Aufbruchszeit war. „Elisabeth von Rochlitz ist die Alice Schwarzer der Reformation“, sagt Mitkuratorin Simona Schellenberger.

Schloss Rochlitz
Blick von der Mulde auf Schloss Rochlitz, ehemalige Residenz der Herzogin Elisabeth von Rochlitz (Bild: Norbert Kaiser/wikipedia)

Die Tochter eines hessischen Landgrafen wurde bereits mit drei Jahren dem damals fünfjährigen Sohn Johann des sächsischen Herzogs Georg, einem Gegner der Reformation, versprochen. Im original erhaltenen Ehevertrag von 1505 sind zahlreiche Einzelheiten festgehalten. Kaum zu glauben, dass dieses Papier ihr später die persönliche Freiheit brachte. Denn Elisabeth überlebte ihren Mann und laut Vertrag durfte sie nach seinem Tod auf Schloss Rochlitz residieren. Die sogenannte Eheberedung würde heute rund zehn A4-Seiten füllen, sagt der Dresdner Historiker Andre Thieme. Vor allem wegen seiner Ausführlichkeit sei das Pergament so wertvoll.

Im Prolog der Schau wird aber auch der zeitgenössische Protest aufgegriffen, etwa der der Aktivistinnen von Femen in Paris. Nicht zuletzt erklären bewegte Comics die Errungenschaften der Reformation kurzweilig und witzig auf eine angenehm unkonventionelle Weise. Hier wird Geschichte mit Strichmännchen verständlich erzählt. Auch Elisabeths Leben ist mit einem Comic animiert.

Korrespondenz in Geheimschrift

Insgesamt rund 300 Exponate zeigt die Reformationsausstellung auf rund 1.300 Quadratmetern. 200 Originale sind zu sehen, darunter vor allem Gemälde und Dokumente. 83 Leihgeber haben sich beteiligt. Inhaltliche Grundlage der Schau sind zahlreiche überlieferte Briefe der Elisabeth von Rochlitz. Dabei stehe die Erforschung ihrer Korrespondenz erst am Anfang, sagt Thieme. Schätzungsweise 10.000 Briefe der Reformatorin, die für brisante Botschaften sogar eine Geheimschrift entwickelte, seien erhalten. Empfänger ihrer Schreiben waren etwa die mächtigsten Fürsten der damaligen Zeit.

Die wissenschaftliche Aufbereitung ist Thieme zufolge eine „Herkulesaufgabe“. Bisher seien erst etwa 200 Briefe ediert. Sie seien jedoch eine „fantastische Quelle für den höfischen Alltag und die damalige Mentalität“. Zugleich ermöglichten die Briefe eine späte Rehabilitierung der Elisabeth von Rochlitz, die 1537 in ihrem Gebiet die Reformation einführte.

„Elisabeths Briefe werden Karriere machen“

Ein Höhepunkt der Ausstellung ist der Raum, wo die Reformatorin vermutlich ihre Texte verfasst hat. Neben einigen Originalen werden auch ihre einflussreichen Adressaten vorgestellt. "Die Briefe werden eine steile Karriere machen", ist Thieme überzeugt. "Es wird keine Geschichte der Reformation mehr geben ohne die Elisabeth und ihre Briefe."

Die Schau widmet sich auch der neuen Kunst der Reformationszeit, eine Folge veränderte Rollenbilder der Geschlechter. Die Frau als Verführerin spiele eine Rolle oder etwa die Familie als ein Ergebnis der reformatorischen Bewegung, so Kurator Dirk Welich. Auffallend für diese Zeit seien zahlreiche Darstellungen der biblischen Heldin Judith, die durch verführerische List dem assyrischen Heerführer Holofernes den Kopf abschlug und so eine ganze Stadt vor der völligen Zerstörung bewahrte. Zu sehen sind mehrere Judith-Gemälde, darunter von Lucas Cranach d. Ä. (1472-1553), aber auch Darstellungen dieser Frau auf Alltagsgegenständen wie Ofenkacheln oder Bierkrügen.


Weitere Informationen zur Ausstellung, die noch bis zum 16.10.2014 in Rochlitz zu sehen ist, finden Sie im Veranstaltungskalender.

Informationen

Autor:Katharina Rögner Quelle:epd Datum:01-05-14
Schlagworte:
Frauen, Katharina von Bora, Margot Käßmann, Sabine von Schorlemer, Schloss Rochlitz, Elisabeth von Rochlitz

Themenjahr 2014

Glaube und Macht, Gewissensfreiheit und Menschenrechte – das sind Themen der Reformation und zugleich der Gegenwart.

Online-Projekt zur Lutherdekade: Reformation von Frauen gestaltet

Unter dem Titel "500 Jahre Reformation: Von Frauen gestaltet" würdigt ein Onlineprojekt zur Lutherdekade reformatorische Impulse von Frauen vom 16. bis ins 21. Jahrhundert.